Presse
RZ-Online Artikelarchiv vom 18.09.2009
Humbug &. Co locken Kinder ins Unterhaus
Kleinkunstbühne bietet nach vier Jahren wieder Programm für ganz junge Zuschauer
Dietmar Bertram zeigt Figurentheater über einen alten Professor
MAINZ. Balu-Balu liegt im Mare Flavum, schräg unter dem traurig schmelzenden Eisberg und rechts vom neunmalklugen Doktorfisch. So ist es zumindest auf der wunderschönen Karte verzeichnet, die Dietmar Bertram extra für sein Figurentheaterstück “Professor Humbug und der Sparlampenleuchtstoffröhrendiodenfisch” zeichnete. Mit ihm und seiner Compagnie MARRAM hat das Unterhaus endlich wieder eine feste Vorstellung für Kinder zu bieten. Das fehlte, seitdem sich 2005 das bekannte Klappmaul-Theater vom Publikum verabschiedet hatte.
Einst war Professor Alexander von Humbug einer der ganz großen Forschungsreisenden. Sein Leben war voller Abenteuer. Doch das ist Vergangenheit. Heute bleibt er lieber zu Hause und experimentiert in den eigenen vier Wänden. Das passt Partout, seinem jungen Assistenten, gar nicht. Er fingiert eine Flaschenpost, um den alten Herrn auf eine ferne Insel zu locken: nach Balu-Balu …
Dietmar Bertram, Jahrgang 67, ist ein Bewunderer des berühmten Puppenspielers Neville Tranter. Der ist regelmäßig bei den Mainzer Kammerspielen zu Gast, und dort besuchte Bertram seine Workshops. “Das war Liebe auf den ersten Blick”, meint er – Liebe zum Figurentheater.
Zuvor hatte Bertram eine Ausbildung an der École international de théâtre Lassaad in Brüssel absolviert. “Das war keine klassische Schauspielausbildung”, erzählt er, “es ging mehr um Körperarbeit, weniger um Sprache. Das hilft jetzt sehr beim Puppenspiel.” Von 1991 bis 2005 war er Mitglied des Kinder- und Jugendtheaterensembles Unterhaus. 2007 dann erhielt Bertram die Gelegenheit, ein erstes kurzes Pupenspiel zu schreiben, zu inszenieren und zu spielen. Zur 100-Jahr-Feier des Senckenbergmuseums entstand eine Kurzfassung des “Professor Humbug”.
“Das war ein 20-Minuten-Stück, auf dem wir jetzt aufbauen”, erzählt Bertram. “Wir”, das ist eigentlich nur Bertram selbst. Von ihm ist das Bühnenbild mit der Karte, er bastelte viel an den verschiedenen Puppen und vor allem am Text. Nur einen hat er sich in der heißen Phase dazugeholt: Michael Kloss vom einstigen Klappmaul-Theater wurde sein Regisseur. “Es ist wichtig, das jemand von außen auf meine Arbeit schaut”, meint Bertram. Und Kloss schaut auf jede Kleinigkeit: “Es gab zum Beispiel noch Brüche zwischen den Szenen”, erzählt er, “die Übergänge mussten wir glätten.” Die Arbeit mit Kloss sei anstrengend, räumt Bertram ein, aber unbedingt nötig, denn: “Kinder haben einen starken Sinn für Qualität.”
Wie stark dieser Sinn ist, sollte die Premiere im Unterhaus beweisen. Perfektionist Kloss kündigte vor Beginn noch schnell an, dass manches nicht ganz ausgereift sei, dann endlich durfte Bertram auf die Bühne.
Er selbst spielt Partout, den Assistenten des Professors. Humbug dagegen ist eine lebensgroße Handpuppe – doch nur auf einer Ebene. Wenn die beiden nämlich auf Reisen gehen, wenn die imaginäre Kamera in die Totale schaltet, dann agieren sie als winzige Fingerpuppen. Der Wechsel zwischen den Dimensionen ist darstellerisch eine Herausforderung. Das Lachen der kleinen und großen Zuschauer aber beweist: Bertram hat sie bestanden.
Der Professor und sein Assistent begegnen einem Piraten, den Bertram aus einem Nussknacker schuf. Sie stoßen auf einen “Porallentüchter”, der Probleme mit den Buchstaben “K” und “Z” hat. Und sie kollidieren mit einem Eisberg, während im Hintergrund die “Titanic”Titelmelodie läuft.
Wie aus dem Füllhorn kippt Bertram seine Einfälle ins Publikum. Aus einer alten Wärmflasche wird ein U-Boot, und ein Handschuh mutiert zur Krake. Der gemächliche Eisberg spricht in Zeitlupe, und ein gewisser Professor von Noethen wirft mit Goethe-Zitaten um sich: “Das also ist des Pudels Kern – oder soll ich sagen: des Fisches Gräte?”
Hier überzeugt alles. Bertrams Text ist witzig und intelligent. Seine schrägen Puppen und Requisiten verblüffen. Dazu runden musikalische Anspielungen auf “Indiana Jones” bis “Der weiße Hai” das Spiel ab, während im Hintergrund immer diese kunterbunte Karte lockt.
Bertrams “Professor Humbug” ist eine Entdeckungsreise nicht nur für Kinder ab fünf Jahre. Auch die mitgebrachten Eltern werden fasziniert sein. Schön, dass das Unterhaus endlich wieder ein Kindertheater hat.
Gerd Blase